KAB Diözesanverband Paderborn

Predigtvorschlag zum 3. März 2021

Sonntag: Geschenk Israels an die Menschheit

Liebe Schwestern und Brüder,

Einige Ältere können sich vielleicht noch erinnern: Wenn früher auf dem Land gerade Erntezeit war und am Sonntag die Sonne schien, da schaute schon manch ein Landwirt sorgenvoll auf den Himmel, ob nicht ein Gewitter aufziehen und den Feldfrüchten schaden könnte. In der Hl. Messe am Vormittag hofften dann alle auf die Ausnahmeerlaubnis, auch am „Tag des Herrn“ die Ernte einholen zu dürfen. Denn eigentlich war klar: An diesem Tag durfte nicht gearbeitet werden.

Heute arbeiten ganz selbstverständlich tausende von Menschen auch sonntags bei der Feuerwehr, in Krankenhäusern, Pflegeheimen und an vielen anderen Stellen. Wir sind froh und dankbar, dass sie für uns da sind und für unsere Sicherheit und unser Wohl sorgen.

Daneben gibt es unzählige Arbeiten, wo wir uns darüber verständigen müssten, ob sie wirklich am Sonntag erledigt werden müssen. Aktuell sind etwa die Ladenöffnungszeiten an Sonntagen verstärkt in der Diskussion. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Arbeiten in Gewerbe und Dienstleistungen, die am Sonntag verrichtet und selten bewusst wahrgenommen werden.

In diesem Jahr am 3. März ist es genau 1.700 Jahre her, dass Kaiser Konstantin für das gesamte römische Reich den Sonntag für arbeitsfrei erklärt hat. Allerdings hat er damals die bäuerliche Arbeit in den wichtigen Phasen der Landwirtschaft davon ausgenommen. Das deutet schon den Konflikt an, in dem der freie Sonntag sich immer bewähren musste: Ist die Sonntagsruhe wichtiger als die Arbeit, mit der Menschen ihr Geld verdienen?

Als die Israeliten vor 2.600 Jahren ins Babylonische Exil verschleppt wurde und dort für die Eroberer arbeiten mussten, entwickelten sie die Idee vom wöchentlichen freien Tag. Immer am siebten Tag sollten alle vom Volk Gottes den Tag arbeitsfrei halten. Gerade als Israel in Unfreiheit war und Zwangsarbeit verrichten musste, wurde der Sabbat als Gegenentwurf entwickelt.

So hat Israel Geschichte geschrieben: Einmal in der Woche konnten sich alle daran erinnern, dass Gott unsere Welt geschaffen hat, damit wir in Würde auf ihr leben können. Ausdruck dieser Würde war die Freiheit, an diesem Tag keine Erwerbsarbeit verrichten zu müssen. Arbeit als Knecht oder Sklave ist ein Verstoß gegen diesen Willen Gottes. Und ebenso ist es ein Verstoß gegen Gottes Willen, wenn Menschen meinen, Arbeit wäre nur zum Geschäftemachen und Geldverdienen da. Israels Erzählung von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen wurde zum Gegenbild zu diesem Arbeitsverständnis. Am sechsten Tag erschuf Gott den „Erdling“ als sein Abbild. In den Tagen vorher wird schon der kreative, schöpferische Prozess göttlicher Arbeit beschrieben: Gott macht das Durcheinander, das „tohu wa bohu“ zu einer lebenswerten Erde. Als Abbild Gottes sind wir Menschen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser schöpferischen Tätigkeit berufen.

Der freie Sonntag feiert dieses Gegenmodell. In den Zehn Geboten heißt es dazu: „Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du.“ (Dtn 5,14-15) Alle, die für andere Verantwortung trugen, hatten dafür zu sorgen, dass die von ihnen Abhängigen – ob Mensch oder Tier – die Freiheit in der lebenswerten Welt Gottes genießen konnten.

Dieses Gegenmodell wird ganz besonders eingeschärft. Im Buch Deuteronomium heißt es: „Bewache den Pausentag!“ Und der Auftrag zur Wachsamkeit, diesen Tag nicht zu beschädigen, wird begründet: „Gedenke, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen.“

Die menschenfreundliche Einführung des freien Wochentages hat noch ganz andere Dimensionen: Das „Sabbatjahr“ als Brachjahr alle sieben Jahre (vgl. Ex 23,10f.) verbot die Eigenverwendung der Erträge des Landes für die Landbesitzer – ob Einzelpersonen oder Gemeineigentümer. Vielmehr sollten die Armen davon essen. Das ist sozusagen eine zweckgebundene Vermögensabgabe von 14,3 Prozent zugunsten derer, die nichts haben.

Und schließlich gibt es in der Bibel die Vision des „Jobeljahres“ alle siebenmal sieben Jahre. Bei diesem „Schall der Posaune“ (vgl. 1 Kor 15,52) beginnt die Auferstehung für alle, die vor Schulden nicht mehr ein und aus wissen. Denn alle Schulden werden erlassen, alle Menschen erhalten wieder die Chance auf einen Neuanfang.

All das ist durchaus wirtschaftlich und sozial zu verstehen. Knechtschaft, Ausbeutung, harte, gesundheitsschädliche Arbeit werden hier kritisiert: Wenigstens einmal in der Zeit soll deutlich werden: Die Menschen sind zur Freiheit und nicht zum Geschäftemachen erschaffen! Wen von uns kann es da wundern, dass auch viele außerhalb unserer christlichen Gruppen so fasziniert sind von dem Sonntag als dem wöchentlichen Gedenktag der Menschenwürde? Weil aber klar ist, dass Einzelne damit überfordert wären, ist es gut, dass es in Kirche und Gesellschaft zahlreiche Organisationen gibt, die sich gemeinsam für diese Ziele einsetzen. Für Christinnen und Christen ist die Mitarbeit daran Ausdruck gelebten Glaubens. Das ist nicht immer unumstritten und erfordert oftmals viel Mut und Durchhaltevermögen.

Schon Jesus wurde von seinen Gegnern immer wieder vorgeworfen, er würde gegen Gottes Gebot verstoßen, wenn er Kranke heilt, die er auch an einem anderen Wochentag hätte heilen können. Aber ein solches Gebot, ohne Bezahlung am Sabbat Kranke zu heilen, gibt es in der Bibel gar nicht. Und wir lassen uns in die Irre führen, wenn wir meinen, Jesus würde damit den Sabbat außer Kraft setzen. Ganz im Gegenteil: Jesus stellt fest, dass ja der Sabbat für den Menschen da ist, nicht der Mensch für den Sabbat (Mk 2,27). Und mit seinem Handeln erfüllt er gerade diesen Sinn des Sabbats. In der ersten Schöpfungserzählung lesen wir: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk“ (Gen 2,1). Wenn Jesus also ganz besonders am Sabbat heilt, beteiligt er sich an der Vollendung der Schöpfung.

Wir Christinnen und Christen bringen zu dieser Idee des freien Tages einen weiteren Akzent hinzu. Jesus, unser Messias und Heiland, ist nicht am Sabbat, dem letzten Wochentag, von den Toten erweckt worden, sondern am ersten Tag, also an dem Tag, an dem die Schöpfung beginnt. Jesus Christus ist der erste, in dem wir diese Neue Schöpfung erfahren haben. Nicht erst nach der Vollendung der Schöpfung können wir Gottes Taten feiern, sondern schon jetzt, ganz am Anfang, wenn wir uns faszinieren lassen von diesem Neustart, von diesem „Reset“ für unsere Welt. Der Sonntag ist für uns Inspiration, an dieser Neuschöpfung Gottes mitzuwirken. Alle Arbeit, die wir Menschen tun, soll auf die Dauer zu einer Mitarbeit an Gottes Schöpfung werden. Wie nötig haben wir eine solche wöchentliche Erinnerung an dieses Ziel!

Durch den Sonntag können wir neue Menschen werden. Wir können uns bekehren, damit Gottes neue Schöpfung im Mittelpunkt unseres Strebens steht. Wir können uns gegenseitig stärken, um dieses Ziel nicht aus den Augen und den Herzen zu verlieren. Wir können jede Woche unserer Sehnsucht Nahrung geben, dass „Gottes Reich komme!“. Wir können ausprobieren, wie es einmal sein kann, wenn alle Ausbeutung zu Ende ist, wenn alle Tränen getrocknet sind, wenn alle Krankheit, alles Leid und alle Beeinträchtigung menschenwürdigen Lebens und der ganzen Schöpfung beseitigt sind. Der freie Sonntag bringt die Idee vom Anfang der Neuschöpfung mit dem Tag der Vollendung zusammen. Er ist Abbild und Symbol der kommenden Heilszeit, die Gott uns zugesagt hat.

Das Erzbistums Paderborn stellt in seinem Zukunftsbild zentral die Frage: „Wozu bist du da, Kirche von Paderborn?“ Es ist eine Aufgabe für die Kirche insgesamt und für jede und jeden Einzelnen, für diese Ideale einzutreten. Indem sie das Geschenk des freien Sonntags aufrecht hält, können alle Menschen an dem Heil, das uns Gott verheißen hat, Anteil haben.

Auch nach 1.700 Jahren mit dem Geschenk des freien Sonntags sind diese Tage vor Ostern für uns Gelegenheit, uns auf diese Heilszeit vorzubereiten. Die 40 Tage der Umkehr sind eigentlich nur ein kleiner Anfang für die Aufgabe, die für uns als Einzelne, aber auch als Kirche – und Gesellschaft? – vor uns steht. Und an Ostern können wir dann feiern: Unser Gott kündigt nicht nur an, sondern er hält sein Wort!

 

Konrad Nagel-Strotmann, KAB-Diözesanvorsitzender Paderborn
und Jürgen Wiesner, KAB-Diözesanpräses Paderborn.

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